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Bau Saar

EU-d i enstl e i stungs-

paket

55 Frames Köln

Foto: Baugruppe Gross

Klares NEIN zum Vorhaben

der EU-Kommission

Die EU-Kommission möchte im Rahmen

ihrer Binnenmarktstrategie den grenz-

überschreitenden Austausch von Dienst-

leistungen erleichtern und Hemmnisse

weiter abbauen. Dazu hat die EU-Kom-

mission im Januar 2017 das so genannte

Dienstleistungspaket vorgelegt, das aus

mehreren Richtlinien- und Verordnungs-

vorschlägen besteht.

Nach Auffassung der deutschen Bauwirt-

schaft bietet das Dienstleistungspaket

keinerlei Mehrwert – vielmehr schafft es

neue Einfallstore für Scheinselbststän-

digkeit und Schwarzarbeit und gefährdet

bestehende Kontrollrechte innerhalb

Deutschlands.

Im Rahmen des Dienstleistungspakets

sieht die Europäische Kommission vor,

dass grenzüberschreitend tätige Unter-

nehmen mit Hilfe einer elektronischen,

europäischen Dienstleistungskarte leich-

ter im Ausland tätig werden können. Be-

triebe sollen diese Karte nutzen können,

um grenzüberschreitende Dienstleistun-

gen in einem anderen Mitgliedsstaat zu

erbringen bzw. eine Zweigniederlassung

zu gründen. Dies ist grundsätzlich eine

gute Idee. Sie darf aber nicht dazu führen,

dass die Gründung von Briefkastenfirmen

sowie Scheinselbstständigkeit durch die-

se Karte erleichtert wird. Der Aufnahme-

staat soll nämlich die Dienstleistungskar-

te akzeptieren müssen und kein Recht

haben, weitere Anforderungen an diese

zu stellen. Zwar sieht der Entwurf der

Kommission vor, dass die Behörden des

Herkunftslandes den Antrag auf Ausstel-

lung einer Dienstleistungskarte an die zu-

ständigen Behörden des Aufnahmestaa-

tes zur Prüfung weiterleiten. Die Prüfung

soll allerdings innerhalb so kurzer Fristen

geschehen, dass diese faktisch unmög-

lich ist. In der Praxis wird dies wohl dazu

führen, dass viele Dienstleistungskarten

genutzt werden, ohne dass diese einer

inhaltlichen Prüfung durch das Aufnah-

meland unterzogen wurden. Des Weite-

ren plant die Kommission, die Dienstleis-

tungskarte unbefristet auszustellen. Zwar

muss der Inhaber der Karte gegenüber

den Behörden seines Herkunftslandes

Angaben machen, wenn Umstände ein-

getreten sind, die sich auf die Erteilung

der Dienstleistungskarte auswirken. In

der Praxis jedoch dürfte eine Vielzahl von

Dienstleistungskarten in Umlauf bleiben,

deren Genehmigungsvoraussetzungen

nicht mehr gegeben sind.

Auch ist geplant, dass die Genehmigungs-

voraussetzung durch die EU-Kommission

festgelegt wird. Dies führt dazu, dass die

Einwirkungsmöglichkeiten der Mitglieds-

staaten minimal sind.

Des Weiteren plant die EU-Kommission,

den Mitgliedsstaaten neue Anforde-

rungen bei der Prüfung ihrer Berufsre-

glementierung aufzuerlegen. Nach den

Vorstellungen der Kommission müssen

die Mitgliedsstaaten umfangreiche Mo-

difizierungs- und Begründungspflichten

gegenüber der EU-Kommission erfüllen,

wenn sie bestehende Berufszulassungs-

regeln ändern oder neue Regeln erlassen

wollen. Dies würde dazu führen, dass der

Deutsche Bundestag jeden Einfluss auf

die Ausgestaltung der dualen Ausbildung

sowie sämtlicher Regelungen zu Berufen

wie z.B. Anwälte, Richter, Ärzte, Ingeni-

eure, Lehrer etc. verlieren würde. Auch

könnte die EU-Kommission die Meister-

pflicht wieder auf den Prüfstand stellen.

Aufgrund der weitreichenden Folgen des

geplanten EU-Dienstleistungspakets ha-

ben sich der Zentralverband Deutsches

Baugewerbe gemeinsam mit der IG BAU

an die Fraktionsvorsitzenden der Regie-

rungsparteien sowie an die zuständigen

Bundesministerien gewandt. Das Echo

aus der Bundespolitik war eindeutig. Ein-

hellig wurden die Bedenken des ZDB und

der IG BAU zum Thema Dienstleistungs-

paket geteilt. Die Politik sagte des Weite-

ren zu, im Sinne des Baugewerbes aktiv

zu werden.

Im Sommer 2017 kam es im Rahmen des

EU-Wettbewerbsfähigkeitsrats zwischen

den Mitgliedsstaaten zu einer Einigung

über die gemeinsame Verhandlungsposi-

tion. Besonders relevant war die Einigung

in Bezug auf den Richtlinienvorschlag.

Dieser zielt auf eine Überprüfung neuer

oder geänderter Berufsregulierung der

Mitgliedsstaaten vor ihrem Erlass. Da der

seitens der Europäischen Kommission

vorgeschlagene Kriterienkatalog über die

allgemeinen Verhältnismäßigkeitskriteri-

en der Geeignetheit, Erforderlichkeit und

Angemessenheit hinausgeht, wurde auf

Drängen Deutschlands eine Klarstellung

aufgenommen. Sie betont, dass es der

Entscheidung der nationalen Gesetzge-

ber obliegt, ob und wie ein Beruf regle-

mentiert wird, dies unter Beachtung der

Grundsätze der Nicht-Diskriminierung

und der Verhältnismäßigkeit. Dies war

eine Forderung des Baugewerbes, die

auch vom Bundestag und Bundesrat in

ihren Subsidiaritätsrügen aufgegriffen

wurden.

Besonders interessant dürfte die Ent-

wicklung in Bezug auf die elektronische

Dienstleistungskarte werden. Im Okto-

ber 2017 war zu verzeichnen, dass die

Berichterstatter des Europäischen Par-

laments in ihren Berichtsentwürfen die

Problemlagen der ursprünglichen Kom-

missionsvorschläge teilweise verschärfen

wollen. Es kann daher mit erheblicher

Spannung verfolgt werden, wie sich die

Thematik „Dienstleistungskarte“ im Jahr

2018 weiterentwickeln wird. Die Bauwirt-

schaft wird daher auch im Jahr 2018 das

Dienstleistungspaket weiterhin intensiv

und kritisch begleiten.